„Heute ist mein Tag!“ – Oder warum manchmal nicht dein Tag ist: der weibliche Zyklus und die Leistungsfähigkeit

Wohl jede Frau kennt die monatlichen Hochs und Tiefs, die sich nicht nur auf die eigene Stimmung und das Wohlbefinden auswirken können, sondern auch auf Training, Leistungsfähigkeit und sogar die Ernährung. Und auch wenn du dich zu Beginn deines Zyklus fühlst, als könntest du Bäume ausreißen, ist es trotzdem ganz normal, dass du am Ende deines Zyklus eher auf dem Powerlevel von Blümchen pflücken bist.

Dieses Chaos ist normal, akzeptiere dich so! Genauso normal ist es auch, dass du an einigen Trainingstagen leistungsfähiger bist und dich im Training wohler fühlst als an anderen: Letzte Woche fühlte sich der eine, hart erarbeitete Klimmzug schon so leicht an und diese Woche schaffe ich es kaum, mich hochzuziehen! Kann es sein, dass ich schwerer geworden bin?!

Vor allem in einem professionellen Coaching kann die Information über deine Zyklusphase für deinen Coach hilfreich sein, um besser auf dich eingehen zu können und das Training anzupassen.

Die Zyklusphasen

Der weibliche Zyklus, welcher mit dem ersten Tag der Menstruation startet, teilt sich grob in zwei Phasen auf, welche durch Menstruation und Eisprung voneinander getrennt sind.

    • Follikelphase (1. – ca. 14. Tag/Eisprung)

Diese Phase startet mit dem ersten Tag der Menstruation. In den folgenden circa zwei Wochen sind die Sexualhormone Östrogen und Progesteron am niedrigsten. Eine neue Eizelle bildet sich unter dem Einfluss des Hormons FSH (follicle stimulating hormone) in den Eierstöcken und reift dort. Während dieser Phase ähnelt die Hormonbalance am meisten der eines Mannes (Männer haben übrigens an jedem Tag den identischen Hormonspiegel, nur innerhalb eines Tages variiert dieser). Die Follikelphase endet mit dem durch das Hormon LH (luteinizing hormon) ausgelösten Eisprung.

    • Lutealphase (ca. 14. Tag/Eisprung – Beginn der Menstruation/ca. 28. Tag)

Nun beginnt das Hormonchaos: Am Tag des Eisprungs schnellt Östrogen in die Höhe. Später übernimmt Progesteron die Führung und eine potentielle Befruchtung der Eizelle wäre möglich. Findet diese nicht statt, sinken die Hormonlevel zum Ende der Phase wieder und hinterlassen einen aufgewirbelten Körper. 5-7 Tage vor deiner Periode kommt es zum Höhepunkt dieses Chaos und das klassische prämenstruelle Syndrom (PMS) kann auftreten. Dazu zählen Stimmungsschwankungen, Heißhunger, unreine Haut und Wassereinlagerungen. Das kann deinem Körper Kraft rauben und viele Frauen fühlen sich zu dieser Zeit unwohl in ihrem Körper.

Den größten Einfluss während dieser Phasen haben die weiblichen Sexualhormone, v.a. Östrogen und Progesteron. Mit dem Hintergrund den Körper für eine potentielle Schwangerschaft vorzubereiten, nehmen sie aber auch parallel Einfluss auf die Regenerationsfähigkeit, das Immunsystem, aerobe und anaerobe Leistung sowie den Stoffwechsel und Körpertemperatur.

Was sagt die Wissenschaft?

Aktuell existieren leider nur wenige aussagekräftige Studien über den weiblichen Zyklus im Zusammenhang mit der sportlichen Leistungsfähigkeit. Dennoch gilt immer: Höre auf deinen Körper! Dieser kann dir in den meisten Fällen besser als eine Studie sagen, was du gerade brauchst und was dir gut tut.

Dennoch folgen hier einige Tipps für deinen Sport in den verschiedenen Zyklusphasen:

Die frühe Follikelphase

Die ersten Tage der Follikelphase, wenn es zur Menstruationsblutung kommt, sind von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. Manche leiden unter Bauchschmerzen oder starken Blutungen, sodass Sport gar nicht in Frage kommt. Andere haben kaum Probleme oder nutzen den Sport sogar, um Krämpfe zu lindern. Jeder sollte hier individuell entscheiden, was das Beste ist.

    • Generell ein guter Zeitpunkt für Sport
    • Achtung bei starken Blutungen! Es kann zu einem Eisenmangel kommen, wodurch der Sauerstofftransport eingeschränkt ist (Müdigkeit, Kurzatmigkeit und/oder erhöhte Herzfrequenz während des Trainings)
    • Tolle Eisenlieferanten sind Sesam oder Kürbiskerne

Fühlst du dich während deiner Menstruation nicht so fit, teile das gerne deinem Coach vor dem Training mit und ihr könnt zusammen die Trainingsintensität anpassen. Einige Frauen fühlen sich während ihrer Menstruation „weicher“ im Beckenbereich, wodurch es ihnen schwerer fällt, Rumpfspannung z.B. für Kniebeugen aufzubauen. Auch dies kann eine wichtige Info im Training sein.

 

Die späte Follikelphase und Eisprung

In der zweiten Hälfte der Follikelphase, wenn die Menstruation vorbei ist, fühlen sich viele Frauen dann jedoch energiegeladen, stark und motiviert. Nutze diese Stimmung für dein Training! Besonders für intensives Krafttraining ist jetzt ein guter Zeitpunkt.

    • Das langsam steigende Östrogen sorgt für einen anabolen (muskelaufbauenden) Effekt durch Krafttraining
    • Ebenso steigt das anabole Hormon Testosteron
    • Du spürst einen Kraftpeak rund um deinen Eisprung? Stelle einen neuen Persönlichen Rekord im Training auf!
    • Dein Körper erholt sich schneller vom Training, absolviere gerne eine Trainingseinheit mehr als sonst
    • Achte auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse (Vitamine und Mineralstoffe für Follikelreifung), ausreichend Proteinen und gesunden Fetten, welche für die Bildung von Hormonen und der Eizelle benötigt werden
    • Antioxidantien unterstützen deine Leber und probiotische Lebensmittel deine Verdauung bei der Ausscheidung von Hormonen

Die Lutealphase

Die Lutealphase startet nach dem Eisprung, das Östrogen sinkt wieder und Progesteron übernimmt nun die Führung. Der Körper ist damit beschäftigt, sich auf eine Schwangerschaft vorzubereiten. Dies raubt viel Energie, sodass dir vielleicht eher nach ruhigen Sportarten zu Mute ist. Durch die Hormonverschiebung erhöht sich jedoch auch dein Stoffwechsel um 5-10%, was im Endeffekt ein Kalorienplus von 100-150 kcal pro Tag ergeben kann. Aber Vorsicht! Durch Heißhungerattacken kannst du schnell über dieses Plus hinausschießen.

    • Komplexe Kohlenhydrate liefern dir die benötigte Energie und halten den Blutzuckerspiegel konstant: Vollkornprodukte, Haferflocken, Hülsenfrüchte, Quinoa, Obst etc.
    • Der Progesteronanstieg sorgt für eine erhöhte Körperkerntemperatur. Kommst du schneller ins Schwitzen?
    • Achte auf eine ausreichende Wasserzufuhr, besonders bei langen Einheiten und heißem Wetter
    • Wassereinlagerungen können dein Körpergewicht erhöhen
    • Guter Zeitpunkt für ein Ausdauertraining

Weibliche Sexualhormone haben einen starken Einfluss auf die Energieproduktion auf Grundlage des Energielieferanten Glukose/Kohlenhydrate. Studien gehen aktuell davon aus, dass in der Lutealphase der Körper vermehrt Energie aus Fetten statt aus Glukose/Kohlenhydraten ziehen könnte. Diese Energiegewinnung bietet vor allem bei langen Ausdauereinheiten mit geringer Intensität einen Vorteil in der Energiebereitstellung. In dieser Phase kannst du den Schwerpunkt also ruhig auf deine Ausdauer legen, während dir HIT-Einheiten wahrscheinlich schwerer fallen, da diese primär schnelle Energie aus Glucose benötigen.

PMS: prämenstruelles Syndrom

Viele Frauen leiden 5-7 Tage vor ihrer Menstruation unter PMS. Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen, unreine Haut und Heißhungerattacken haben zwar keinen direkten Einfluss auf deine Leistungsfähigkeit, sorgen aber dafür, dass du dich in deinem Körper nicht 100%ig wohl fühlst. Bodyweight Übungen fühlen sich gerade schwerer an? Kein Wunder, dein Körper speichert vermehrt Wasser ein. Aber keine Sorge, mit Beginn deiner Menstruation sind auch diese Extrapfunde wieder verschwunden. Entscheide selbst, ob du dich eher nach einem Tee auf der Couch fühlst oder ob du Bock auf Gewicht im Gym hast!

Du siehst also, auch die Wissenschaft hat (noch) keinen „Masterplan“ für die Trainingsgestaltung während der verschiedenen Zyklusphasen. Generell gilt aber, dass du in jeder Phase deines Zyklus leistungsfähig bist und du Krafttraining betreiben kannst. Daher lass dir nicht einreden, dass du während einer bestimmten Phase lieber keinen Sport machen sollst! Vielleicht verstehst du nun besser, warum du an manchen Tagen leistungsfähiger bist als an anderen. Genau von diesem Feedback kannst du profitieren, wenn du deinen Zyklus beobachtest:

    • In welcher Phase fühlst du dich am fittesten?
    • Wann fällt dir das Training schwerer und warum?
    • Wie ist dein Hunger- und Energielevel?

Tracke doch einfach mal deinen Zyklus, dein Training und dein Energielevel. Wir sind uns sicher, dass du schnell Regelmäßigkeiten feststellen und deine Leistung besser einordnen kannst. Und auch deinem Coach wird es helfen, wenn du deinen Körper besser kennst. Schließlich wollen wir mit dir gemeinsam Bäume ausreißen. Oder manchmal auch einfach nur Blümchen pflücken. Du bist der Mittelpunkt unseres Trainings, deshalb gib uns immer gerne Bescheid, wenn im Training nicht ganz so dein Tag ist.

 

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Sims S. T.: Peak – Performance für Frauen. Unimedica 2021.